Das Wesen des Kaspers
Der Kasper ist in unserem Kulturkreis seit Ende des 18. Jahrhunderts bekannt. Hervorgegangen ist die Figur aus dem mittelalterlichen Hanswurst der Jahrmärkte, wo sie noch derb und deftig die Menschen mit ihren Gewohnheiten ins Spiel brachte, mit übermäßigem Appetit auf Würste und ausgeprägtem Ruhebedürfnis. Der englische Punch hatte meist einen Schlagstock (engl.: slapstick) und mordete sogar. Damals bestand das Publikum jedoch vorrangig aus Erwachsenen. Es entwickelte sich erst im letzten Jahrhundert, dass das Kasperspiel ausschließlich eine Sache für Kinder sei. Damit entstanden auch pädagogische und therapeutische Mittel.

Wenn er in seinen bunten Kleidern und der langen Zipfelmütze mit dem Glöckchen daran auftritt, findet er sofort Zugang zum Publikum. Die Kinder lieben ihn ausnahmslos, weil er schlagfertig, mutig und immer voller überraschender Einfälle ist. Er hat einen gesunden Menschenverstand und ist absolut treu. Seine große Nase steckt er überall rein, bringt die Dinge auch oft hübsch ordentlich durcheinander. Aber in verzwickten Situationen ist auf eines Verlass: wird der Kasper gerufen, kommt und hilft er. Mit einem träumenden Eintauchen in das Geschehen ist es dann freilich vorbei, denn mit Geistesgegenwart und Sinneswachheit ist er präsent und – schlimperdibicks – pfiffig und klug bringt er alle verfahrenen Probleme zu einem guten Ende.

Kasper steht immer über den Dingen. Er steht für die Ich-Kraft des Menschen; die Kraft, die an allen Hüllen und Schichten des Menschen umwandelnd arbeitet. Die Kinder verbinden sich freudig mit dem Kasper, gehen mit ihm wach durch die Geschichte und nehmen die umwandelnde Kraft tief in sich auf. Gerade in der heutigen Zeit, wo die Wirkung dieser individuellen Fähigkeit sogartig von den Medien gelähmt wird, kann das Bild des Kaspers befreiend und gesundend wirken.